Sagen und Brauchtum

Sage vom Kirchberg, aufgezeichnet 1847

Der Brunnen beim Pfarrhof ist sehr tief. Der Eimer wird durch ein Rad auf- und abgezogen. Die Zeit seiner Entstehung ist nicht bekannt, wohl aber besteht die Sage, daß ihn Bergknappen gegraben hatten.

Früher stand die Pfarrkirche von Bayerdilling im Dorfe, und zwar im westlichen Teile desselben (Strudelmund genannt) in der Gegend des Pfaffenbauernhofes, daher dieser Hof seinen Namen haben soll. Auf dem jetzigen Kirchberge soll ein Schloß gestanden sein, dessen Besitzer, Sigismund und Ulrich Vesenmayer, die Kirche dahin versetzt haben sollen. Im Jahrtagsverzeichnis der Pfarrei Bayerdilling ist auch ein Jahrtag für diese 2 Brüder als Stifter der Kirche aufgeführt, welcher mit Vigil, Seelenamt und 3 hl. Nebenmessen gefeiert werden muß.

Der Vortrag im Salbuch von 1680 bei den gestifteten Jahrtagen heißt es dazu: „Im Sept: Circa festum Sti. Michaelis der jahrtag nebst 3: neben Messen für die Wol Edl und gestrenge H H Udalric und Sigismund Fesenmayr dies Pfarrgottshauß stüfftern: Vigil 4 fl.“

Fischer ermittelte den Familiennamen Vesenmair in unserer Umgebung in mehreren Aufzeichnungen. Im Salbuch Herzog Ludwig des Gebarteten von 1417, Seite 86, erscheint Hainz Vesenmair zu Bonsal. Nach den Regesten von Niederschönenfeld (Band VII., Nummer 78) kaufte am 15. Juni 1416 die Adelheid Vesenmairin von Tulgen (= Bayerdilling) ein Haus und Hofstatt zu Bösenburckham um 15 fl rheinisch. Da eine Frau in dem Gütergeschäft erscheint, mußte es sich um eine hervorgehobene Familie handeln. Außerdem entdeckte Fischer in nicht feststellbaren Aufzeichnungen folgende Familienangehörige: 1432 Konrad Vesenmair von Holzheim und seine Frau Afra; 1488 Hans Vesenmair, Bauer zu Tulgen; 1512 Michael Vesenmair zu Tulling und seine Frau Margaretha sowie im selben Jahr Ulrich Vesenmair zu Tulling.

Erläuterungen zu den Überlieferungen (verfaßt 1998):

Zumindest im 13. Jahrhundert (Kastenamt Tulgen) war der Kirchberg befestigt. Das hier gestandene Schloß ist auf dem westlichen Deckengemälde in der Pfarrkirche, das jetzt von der Orgel verdeckt wird, dargestellt. Da das Gemälde durch den Augsburger Maler Johann Georg Lederer 1747 signiert ist, die Kirche aber spätestens seit 1380 an dieser Stelle stand, ist es sicher eine freie künstlerische Interpretation. In der „Historico--topographica descriptio“ des Rentamtes München von 1701 (zu den Stichen von Michael Wening) heißt es nämlich über Bayerdilling: „Diese Hofmark ohne Schloß ist ein schönes Dorf, zum Kloster Niederschönenfeld gehörig, mit einem sehr hohen Turm“. Schon 1381 ist die Bezeichnung „Michaelsberg“ urkundlich belegt.

Beim Bau der zentralen Wasserversorgung 1980 ist vor dem Eingang zum Kindergarten in geringer Tiefe eine rund einen Meter dicke Mauer entdeckt worden, die der Kirchbergbefestigung zuzurechnen ist. Sie war durch Verwendung von frisch gelöschtem Kalk in sich sehr stabil und zeugt von einer hochwertigen Bauweise, wie sie sich gewöhnliche Bauern nicht hätten leisten können.

In den schriftlichen Zeugnissen taucht für den westlichen Teil des Dorfes nie ein eigenständiger Name auf, obwohl aus Zeiten der Vesenmair (hauptsächlich 15. Jahrhundert) schon viele Urkunden überliefert sind und die Bezeichnung „Strudelmund“ älteren Bayerdillingern unabhängig von den Aufzeichnungen des Ludwig Wilhelm Fischer noch bekannt war. Es ist anzunehmen, daß die Ortsgründung im Kirchbergdorf erfolgte und der westlich der Kleinen Paar liegende Bereich als Ausbausiedlung erschlossen wurde, und zwar auf jeden Fall noch im Mittelalter, denn vor dem Dreißigjährigen Krieg sind bereits mindestens 75 Anwesen anzunehmen.

Unnatürlich erscheint, daß die erste Kirche auf dem Platz des Pfaffenbauernhofes stand, also völlig an den Rand des Ortes gerückt. Gewöhnlich wurden dafür die exponiertesten Plätze (Beispiele: Gempfing, Holzheim, Münster, Oberpeiching, Thierhaupten, Römerort Burgheim) verwendet. Wenn die Vesenmair allein auf dem heutigen Kirchberg gehaust hätten, hätten sie über eine ausgedehnte befestigte Anlage verfügt. Warum haben sie dann keine adeligen Namen getragen? Selbst in unbefestigten Dörfern wie Holzheim, Sallach und Staudheim erscheint noch im 14. Jahrhundert Ortsadel, der sich nach dem Sitz bezeichnet und sich so über den Bauernstand heraushebt.

Die Pappmahd

In der Pappmer (Papme) draußen „gehts um“ (übersetzt: es spukt in der Nacht). Gemeint sind die schon 1810 in den Steuerbüchern bezeichneten „Pappmahdteile“, die nördlich des Weges von der Siedlung zum Außermüller lagen.

Der Heimberg

Der Heimberg gehörte früher dem Ritter von Strauppen. Der hatte keine Nachkommen. Der Ritter hat ihn von Todes wegen der Gemeinde Bayerdilling mit der Auflage geschenkt, daß 30 Jahre lang ein Jahrtag gehalten werden muß.

Anmerkungen dazu: Die Burg Strauppen wird schon 1280 als verfallen bezeichnet. Die schriftliche Überlieferung aus den vorangehenden Epochen ist spärlich, jedoch ist bis etwa 1190 niederer Adel belegt, der sich nach Burg Strauppen nannte. Die Schenkung kann daher weder bewiesen noch widerlegt werden. Bei der Größe der Burganlage ist es nicht ausgeschlossen, daß der zugehörige Grundbesitz weit umfangreicher war als der heutige Hof.

Der Franzosenacker

Beim Wacker hatte man vor dem Zweiten Weltkrieg einen „Franzosenacker“, er lag an der Rainer Straße linkerhand nur wenig nordwestlich vom „Bachbauern-Kreuz“. Dort soll ein Franzose begraben worden sein. (In Betracht kämen dafür, wenn es sich um einen Kriegstoten handelt, die napoleonischen Heerzüge um 1800 oder noch frühere Ereignisse: 1646/48 und 1704 war Frankreich an den Heerzügen durch unseren Landstrich beteiligt.). Durch die Flurbereinigung haben sich die Eigentumsverhältnisse geändert und die Bezeichnung „Franzosenacker“ ist verschwunden.

Anmerkung: Beim Verband für Flurnamensforschung liegen Aufzeichnungen aus den 1930er Jahren auf, in denen der „Franzosenacker“ eingetragen ist, aber auch eine Reihe weiterer origineller Feldbezeichnungen.

Was man allgemein erzählte

Wenn die Rosse unter der Christmette im Stall scharren, dann stirbt der Bauer im nächsten Jahr.

Bei der Christmette stehen während der Wandlung die Hexen umgedreht im Kirchenstuhl drin.

Die aus dem Ersten Weltkrieg zu zahlende Kriegsschuld war so groß, daß man von Paris bis München Markstück an Markstück hätte reihen müssen, um sie bezahlen zu können.

Brauchtum

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts, in den Sommern 1846 bis 1851, wanderte Joseph Friedrich Lentner im allerhöchsten Auftrag des seit März 1848 regierenden Königs Max II. durch die bayerischen Lande - nach heutigem Verständnis der erste echte „Feldforscher“ der Volkskunde Altbayerns. Über den „Lechwinkel“, wie zuweilen unsere Heimat bezeichnet wird, berichtet er unter anderem, von Aichach kommend:

„Im Rainer Gericht leuchten zum erstenmale wieder nach einer langen Strecke, wo sie fehlten, am St. Johannestage, danach zu Peter und Paul oder am Veitstag die Sunnwendfeuer. Die Kinder ziehen am Tag vorher bettelnd von Haus zu Haus und holen sich Holz und Reisig zum Feuer unter Absingung eines Sprüchleins:

Ist ein guter Herr im Haus,
Lang ein Scheitel Holz heraus;
Zwei Scheitel und ein Boschen
Macht es brennen und gloschen.

Über die lustige Flamme springt dann alles junge Volk, was sich dabei versammelt hat.

Am Nachkirchtag (Montag) wird im Rainischen gerade so wie im obern Lechrain der Betteltanz gehalten, bei welchem die Tänzerinnen ihre Buben freihalten müssen. Er begann ehedem gleich morgens nach der Kirche und endete gegen 12 Uhr. Die Geistlichen haben ihn in neuester Zeit auf den Nachmittag nach der Vesper verlegt. Vor etlichen Jahren wurde 8 Tage vor der Kirchweihe der sogenannte Spieltanz gehalten, den die 2 Platzmeister, das sind Tanzführer, gleichsam zur Einübung der früher verschiedenen Tänze veranstalteten. Am Sonntag nach der Kirchweih feierte man den Huttanz, bei welchem ein Hut als Gewinn ausgewürfelt wurde; Letzterer kömmt auch jetzt noch hie und da vor.

Eine besondere öffentliche Festlichkeit an der untern Paar und im Lechwinkel bildet der sogenannte Wasservogel, d. i. der Umritt einer in ihrem Ursprung uralten, sicherlich über die christliche Zeitrechnung hinausgehenden Figur, Waßervogel, seltener Pfingstl genannt, welcher Ritt von mancherlei Ceremonien vorher und nachher begleitet ist.

Durch 3 Sonntage vor Pfingsten zieht ein Trupp von 10 - 20 Burschen bei den Bauern umher und bettelt sich Mehl, Schmalz, Eier und geräuchertes Fleisch mit einem gewissen Spruch, den sie den Sandriegel nennen. In früherer Zeit ließ die Gesellschaft sodann am Pfingstmontag aus den gesammelten Viktualien im Wirthshause riesige Kücheln backen und sich ein Mahl bereiten. Jetzt werden dieselben verkauft, aus dem Erlös der Vogel geputzt und der Geldrest unter den Buben ausgewürfelt, den sie im Wirthshaus sofort vertrinken.

Die Festlichkeit besteht in einem nachmittägigen Umritt der lustigen Schaar; an deren Spitze der Waßervogel einherschreitet; d. i. ein Bube, der eine aus hohen Weidenruthen und Schilf geflochtene Figur trägt, welche eigentlich einem langen Vogelhalse gleicht, an dessen Spitze ein aus Holz geschnitzter bemalter Kopf eines vogelartigen Ungeheuers hin und wieder schwankt. Der lange Hals ist mit Blumen und Laubwerk umwunden und früher umschlang ihn auch ein Schnürriemen, jetzt ein seidenes Halstuch, das zum Gewinn bestimmt ist. Dieser Zug ritt zu allen Häusern, aus welchen ihnen früher ein Beitrag zum Feste zugekommen war und trabte bei jedem dreimal im Kreise durch den Hof. Zum Schlusse wendete man sich ins Wirthshaus, wo der Wasservogel durch Würfeln unter den Sandriegelbuben ausgespielt wurde. Das Seidentuch, wie früher der bescheidene Schnürriemen gehört dem Mädchen des Gewinners; den Holzkopf des Vogels aber pflanzt er mit besonderem Stolz auf dem First des Stadels seines Hauses, wo er stehen bleibt bis zum Umritt des nächsten Jahres und für einen besonderen Wetterschutz betrachtet wird.

Solche Ritte sind noch alljährlich zu Wechtering, Dilling, Staudach (= Staudheim) pp. An andern Orten erscheinen sie nur periodisch alle 2, 3 oder 5 Jahre.“

Viele Jahrhunderte hat dieser Brauch offensichtlich überdauert, bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde er offensichtlich neuen Einflüssen geopfert, denn selbst von den ältesten Bayerdillingern und Wächteringern hat man in unserer Zeit nicht mehr von diesem Wasservogel-Brauch gehört.

Quellen:

Zum Kirchberg: StAR, Fischeriana, IV. 15., Heft Bayerdilling: Mitteilung Pfarrer Keppeler an Heimatforscher Ludwig Wilhelm Fischer 1847; mündlicher Bericht von Wilhelm Biela.

Zu den anderen Sagen: Informant Fritz Koller, geb. 1927.

Literatur:

Joseph Friedrich Lentner, „Bavaria - Land und Leute im 19. Jahrhundert, Oberbayern: Die Landgerichte im Voralpenland“, herausgegeben von Paul Ernst Rattelmüller

Maibaum

Wenn auch viele Bräuche abgekommen sind, so hat der Maibaum einen festen Platz im Jahreslauf. Aufgestellt wird in Bayerdilling  etwa alle drei Jahre eine geschälte, weißblaue geringelte und mit Figuren geschmückte Fichte. Wächtering stellte unregelmäßig einen Maibaum auf; besondere Mühe gab man sich 1983 zum großen Feuerwehrfest.

Im Buch folgen hier vier Bilder.

1936 stand der Maibaum auf der östlichen Seite der Bachbrücke.

Einige Zeit stand der Maibaum am Fuße des Kirchbergs, etwa an der heutigen Garagen-Einfahrt vom „Weberschneider“, wie diese Aufnahme aus den 1960er Jahren zeigt.

Durch die Siege im Wettbewerb des Vereins „Maibaumbaumfreunde Neuburg-Schrobenhausen mit Lechgebiet“ stellte Bayerdilling zweimal die „Maikönigin“, das erste Mal war dies 1986 (Luise Bruglachner), das zweite Mal 1994 (Renate Lindermair). Aktiv waren in jenen Jahren vor allem die "Moabaumbuam", die im Buch zu finden sind.

Der Sinnspruch auf dem Maibaum von 1986, verfaßt vom Bayerdillinger „Heimatdichter“ Hermann Berger, lautet:

Im Walde stand ich lange Zeit
und trug ein schönes grünes Kleid.
Doch fleißige Burschen haben mich jetzt
mitten in das Dorf gesetzt.
In den Farben weiß und blau
Ich jetzt auf mein Dorf hernieder schau.
Als Maibaum hab’ ich eine Bitte:
erhaltet Brauchtum, wahrt die Sitte
und fehlt Euch einmal der Humor,
dann blickt getrost zu mir empor!